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Marianne Fiedler, Emilie Mediz-Pelikan oder Philippine Wolff-Arndt – Die Namen dieser Frauen sind heute nahezu aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Zusammen mit 31 weiteren Künstlerinnen stellten sie 1897 ihre Werke in der 2000m² großen Kunsthalle der STIGA aus. Doch unter den insgesamt 362 Teilnehmenden bildeten sie mit ihren kleinformatigen grafischen Arbeiten nur eine Randerscheinung.
Zu groß überstrahlte damals schon der Name Max Klinger die Szene, der in einem eigens geschaffenen Saal der Halle erstmals sein monumentales Werk Christus im Olymp öffentlich präsentierte.
Doch wer waren die Künstlerinnen im Schatten? Wie gelangten sie in einer Zeit, in der Frauen das Kunststudium verwehrt war, in die Kunsthalle der STIGA? Wie behaupteten sie sich trotz des ständigen Vorwurfs des Dilettantismus, der jeder noch so begabten Künstlerin echtes Talent und wahre Kreativität absprach?
Im MdbK wird den Künstlerinnen – damals unterschätzt und heute nahezu vergessen – neue Aufmerksamkeit gewidmet.
Darüber hinaus wird in Zusammenarbeit mit der Klasse Installation und Raum der HGB eine Intervention und Rauminstallation entwickelt, die sich als Gefährtin der STIGA-Künstlerinnen positioniert. Die Gefährtin versteht sich als szenographisches Display für die historischen Malereien und eignet sich diese zugleich an, um auf die bis in die Gegenwart hineinreichende strukturelle Diskriminierung von weiblichen und nicht-binären Künstler:innen hinzuweisen.
Ausgangspunkte sind hierbei die Beschäftigung mit unterschiedlichen Blickregien und Repräsentationsformen der Institution im Dialog mit ihrem Publikum. Die darin enthaltenen Arbeiten basieren auf einer intensiven Beschäftigung mit Macht- und Genderpolitik im Kunstbetrieb, hinterfragen Kunstformen hinsichtlich ihrer Genderspezifik und reflektieren die Ausstellungspolitik des MDBK vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Ausstellung:
Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900
Laufzeit:
12. Mai 2022 – 03. Oktober 2022
Kontaktdaten:
Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig
Tel.: +49 341 21 69 90
mdbk@leipzig.de
Ansprechpartner:
Marian Reisinger
Tel.: +4934121699929
E-Mail: marian.reisinger@leipzig.de
Das öffentliche Interesse an Kunst war im 19. Jahrhundert größer denn jemals zuvor. Akademien und Kunstvereine wurden gegründet und neue Ausstellungsmöglichkeiten geschaffen. Die männlich dominierten Institutionen entschieden über die Art und den Wert von Kunst und somit zwischen Professionalität und Dilettantismus.
Für Frauen gehörte eine musische oder künstlerische Ausbildung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lediglich zum „guten Ton“. In ihrer Vorbereitung als künftige Ehefrauen und Mütter war ihre Unterrichtung reiner Selbstzweck und Ausdruck bildungsbürgerlicher Norm. Zudem war die Aufnahme in eine private Malschule oder eine sogenannte „Damenklasse“ einer Kunstakademie sehr kostenintensiv. Diese standen zudem im Ruf vor allem auf den eigenen Profit und weniger auf das künstlerische Talent der Schülerinnen zu achten.
Daraus entstand das Vorurteil, dass Kunst von Frauen nie über das Stadium des Dilettantismus hinauskäme. Dieses Argument wurde wiederum genutzt, um Künstlerinnen von den Kunstakademien auszuschließen. Dies führte dazu, dass viele keine adäquate Ausbildung erhalten konnten und somit nie ein überdurchschnittliches Maß an Kunstfertigkeit erlangen konnten – ein Teufelskreis.
Doch besonders infolge der Industriellen Revolution sahen sich um 1900 zahllose Frauen mit veränderten Verhältnissen konfrontiert. Kunst war nicht länger Selbstzweck und Zeitvertreib, sondern berufliche Perspektive. Umso größer jedoch der weibliche Expansionsdrang war, umso stärker wurde die „hohe Kunst“ des männlichen „Künstlergenies“ verteidigt und eine Zulassung von Frauen zum Kunststudium verhindert.
Als Gründe für den Ausschluss der Frauen wurden schwere körperliche und psychische Schäden angeführt, die durch das „andauernde Sitzen“ sowie durch die geistige Arbeit entstehen würden. Letztendlich fürchtete man die weibliche Konkurrenz. Als moralisch undenkbar galt zudem das gemeinsame Arbeiten vor dem nackten Modell.
Dies veranlasste viele Frauen dazu sich vor allem der Landschafts-, Interieur- oder Stilllebenmalerei zu widmen. Mithilfe des Selbstporträts wiederum reflektierten sich viele Künstlerinnen innerhalb der damaligen Kunstwelt und gewährten so Einblick in ihr Seelenleben.
Um der männlich dominierten institutionellen Benachteiligung zu entkommen, halfen sich die Künstlerinnen selbst: Sie etablierten eigene Netzwerke und gründeten Künstlerinnenvereine mit angegliederten Malschulen. Diese Entwicklung ging einher mit einer allgemeinen Forderung zur Verbesserung der Rechte der Frauen. Besonders Leipzig war dabei ein wichtiges Zentrum. Hier wurde am 18. Oktober 1865 durch Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt mit dem Allgemeinen Deutschen Frauenverein der erste Frauenverein Deutschlands gegründet.
In der Folge entstanden 1867 der Verein der Berliner Künstlerinnen, als erster Künstlerinnenverein in Deutschland und 1896 schließlich der Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen in Leipzig. Ein Kunststudium konnten Frauen in Leipzig bereits ab dem Wintersemester 1905/06 an der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (HGB) aufnehmen. Eine grundlegende Verbesserung der Ausbildungssituation erfolgte erst mit der Weimarer Verfassung 1919 und der zumindest formalen Gleichstellung der Frau.